Um Mitternacht in der Nacht zu Sonntag den 13. Dezember 1944 befand sich der 24-jährige Unteroffizier Egon Lutomsky auf dem Vorderdeck des Zerstörers Z35.
- Das war mein Glück!
Als die erste Mine mittschiffs detonierte, wurde er auf das Deck geworfen. Er wollte dann zu seiner Bergestation, dem Kutter des Schiffes gehen. Als er feststellte, das dort ein großen Chaos herrschte, ist er vom sinkenden Schiff ins Wasser gesprungen. Er hat einen Tross eines Rettungsflosses ergriffen.
Der Unfall ist in der unmittelbaren Nähe vom Porkkala-Gebiet passiert.
- Einige Zeit, trieb ich im Wasser bevor es mir gelungen ist, auf das Floss hinauf zu klettern. Im Meerwasser war es nur ein paar Grad warm, lange schafft man es nicht bei solchen Temperaturen. Da ich aber draußen auf dem Vordeck auf Wache war, war ich sehr warm gekleidet, das hat mich wohl gerettet.
Vierzehn Stunden später ist das Floss mit vier Mann an Bord ans Land an einem Inselchen getrieben.
- Ich weiß nicht wie die Insel hieß. Da gab es eine unbewohnte Fischerhütte. In der Hütte gab es einen Ofen, den konnten wir anzünden. Als wir in der Hütte Feuer angemacht haben, wussten wir, jetzt sind wir gerettet.
- Am nächsten Tag sind wir mit dem Floss weitergerudert, um eine größere Insel zu erreichen. Dort wollten wir uns ein Boot besorgen und nach Schweden segeln. Dabei hat uns ein russischer Aufklärer entdeckt. Bald kam ein schnell fahrendes finnisches Boot, das uns aufgenommen hat. Der Kapitän hat gut Deutsch gesprochen und ich konnte ihn auf einen Kameraden aufmerksam machen, den wir auch einer Insel in der Nähe bemerkt hatten. Er hat auch den Kameraden geborgen. An Bord waren auch russische Soldaten, die alles beobachteten.
- Wir wurden dann am Festland zu einem gelben Haus gebracht, entweder eine Schule oder ein Krankenhaus. Dort haben uns zwei Krankenschwester gepflegt und versorgt. Nach einigen Stunden kam ein Bus mit zwei sowjetischen Wachtposten, der uns abgeholt und nach Helsinki gebracht hat.
- In Helsinki wurden wir dann auf einem Frachter untergebracht, der im Hafen lag. Von dort wurden wir auf ein russisches Minenräumboot gebracht, welches dann mit uns nach Tallin gefahren ist.
Der Kapitän hatte die Macht
Kurz vor der Explosion hörte Egon Lutomsky wie sich der Obersteuermann und der Kapitän über den Kurs gestritten haben.
- Der Obersteuermann war aus der Handelsschifffahrt erfahren und er kannte sich in der Gegend gut aus. Er teilte die Meinung des Kapitäns nicht. Der Kapitän, der sehr arrogant war, sagte aber „ich bin hier der Kapitän und treffe die Entscheidungen". Und das hat er auch gemacht.
Barfuss durch Tallinn
Egon Lutomsky zog seine Stiefel aus als er ins Wasser gekommen ist.
- Mit Stiefeln kann man nicht schwimmen.
Immer noch auf dem Weg von Inkoo Kirchdorf nach Helsinki und davon nach Tallinn war er barfuss. Mit den anderen Überlebenden ist er durch Tallinn zu einem Keller unter einer Kaserne marschiert. Dort wurden sie mehrere Tage von russischen Offizieren verhört, die alle Einzelheiten über die deutschen Häfen wissen wollten. Ein Kamerad, der sich weigerte auf die Fragen zu antworten, wurde in Anwesenheit von Egon Lutomsky niedergeschlagen.
Allmählich ist er ins Gefangenenlager in Kochtel-Türpsal gekommen. Insgesamt hat er fünf Jahre in russischer Gefangenschaft verbracht. Er hat gemauert, Bäume gefällt, im Bergwerk gegraben, gemalt und Steine gebrochen. Im Juni 1949 durfte er zurück nach Hause kehren.
- Ich hatte wieder Glück. Viele von meinen Mitgefangenen wurden ins Lager nach Sibirien geschickt.